Monika Bütler ist eine der einflussreichsten Stimmen der Schweizer Finanzwelt und Mitglied des Verwaltungsrats von Swiss Life. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre Karriere und verrät, welche finanziellen Lektionen sie an Frauen weitergeben möchte.
Lesen Sie hier das Interview aus der Publikation «Wealth Navigator» von Swiss Life Wealth Managers, welches in der NZZ am Sonntag als Medienbeilage erschien.
Sie haben eine beeindruckende Karriere in der Finanzwelt gemacht. Welche Hürden mussten Sie überwinden?
Monika Bütler: Meine Karriere war alles andere als gradlinig oder geplant. Ich habe einfach immer versucht, auch gegen Widerstände das zu machen, wofür ich brenne. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich nach Rückschlägen immer wieder aufgestanden und aus Krisen gestärkt hervorgegangen bin. Die schwere Krankheit meines jüngsten Sohnes führte zu einer schmerzhaften Publikationslücke in meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Dies erinnerte mich daran, weshalb ich nach Mathematik und Physik Volkswirtschaft studiert hatte: Um mich für eine bessere Welt einzusetzen. Ich begann daher in dieser Zeit, Texte und Vorträge für ein breites Publikum zu verfassen.
Wie hat sich im Laufe Ihres Lebens die Rolle von Geld für Sie verändert?
Monika Bütler: Was ist Geld? Ich nehme an, Sie meinen nicht in erster Linie Geld als Zahlungsmittel, sondern Geld als Wertaufbewahrungsmittel. In dieser Hinsicht: stark und wenig gleichzeitig. Stark, weil ich heute viel mehr finanzielle Mittel habe als vor 20 Jahren und mir auch mehr leiste. Wenig, weil ich mir meine Ausgaben immer noch gut überlege und Verschwendung hasse. Ich gebe lieber mehr Geld für ein besseres Ticket in der Tonhalle oder im Letzigrund aus als für ein Cüpli an der Bar. Prestige hat mich nie interessiert.
Bemerken Sie Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Generationen im Umgang mit Geld?
Monika Bütler: Ich bin vorsichtig mit Verallgemeinerungen. Die Unterschiede innerhalb einer Generation sind wohl deutlich grösser als zwischen den Generationen. Der Umgang mit Geld ist eine Mischung aus individuellen Charaktereigenschaften, Sozialisierung und äusseren Bedingungen. Gerade bei Letzteren hat sich viel verändert: Zahlungen sind auch ohne Bargeld einfacher geworden, staatliche Leistungen und Sozialversicherungen verändern die Notwendigkeit zum Sparen, die Zukunftsaussichten sind unsicherer geworden. Das betrifft alle Generationen.
Wie hat sich in Ihren Augen das finanzielle Umfeld für Frauen in der Schweiz verändert?
Monika Bütler: Es wird viel mehr über Finanzen gesprochen. Und es sind viele private Initiativen entstanden, um für Frauen den Zugang zu Finanzwissen und Finanzprodukten zu verbessern. Beides finde ich ausgesprochen positiv. Allerdings schockiert mich immer noch, wie oft junge Frauen die Finanzplanung ihrem Partner überlassen und ihre finanzielle Selbstbestimmung vernachlässigen. Es scheint leider «cool» zu sein, sich nicht für Finanzen zu interessieren.
Frauen haben in Sachen finanzielle Vorsorge oft Nachholbedarf. Woran liegt das?
Monika Bütler: An den bekannten Gründen: Eine Berufswahl, bei der die finanzielle Komponente eine kleinere Rolle spielt; Unterbrüche wegen Familie oder anderen Betreuungsaufgaben; geringeres Finanzwissen. Neben systemischen Gründen wie teure oder fehlende Kinderbetreuung, Lohnunterschiede und Vorurteile spielen individuelle Präferenzen und soziale Normen eine Rolle. Auch ohne Betreuungspflichten arbeiten Frauen öfter Teilzeit als Männer. Vielen Müttern fällt es schwer, die Rolle des hauptbetreuenden Elternteils an den Vater abzugeben – selbst, wenn sie besser ausgebildet sind und mehr verdienen als ihr Partner.
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Welche Finanzthemen müssen wir für eine Zukunft in finanzieller Selbstbestimmung angehen?
Monika Bütler: Institutionell scheint mir ein besserer Vorsorgeausgleich zwischen Eltern in der zweiten und dritten Säule sehr wichtig, ob verheiratet oder nicht. Eine gute Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie ist ein weiterer Pfeiler einer stärkeren finanziellen Selbstbestimmung. Grundsätzlich sollte die «Financial Literacy» in der Bevölkerung verbessert werden. Ich denke, vielen Menschen fehlt nicht nur Finanzwissen, sondern auch ein Verständnis für die einfachsten wirtschaftlichen Zusammenhänge und statistische Grundkenntnisse wie die Einordnung von Risiken. Solche Themen tauchen in unseren Lehrplänen kaum auf. Anders in Neuseeland: Hier lernte mein jüngster Sohn in den ersten drei Monaten seiner vierten Primarschulklasse mehr über Statistik als in seiner übrigen Schulzeit und im ersten Studienjahr.
Wie handhaben Sie bei Ihren persönlichen Finanzen die Balance zwischen Sicherheit und Risiko?
Monika Bütler: Beruflich und privat bin ich sehr risikofreudig, auch wenn ich mit Kindern etwas vorsichtiger geworden bin. Ein hoher Grad an Entscheidungsfreiheit – wie eine Stelle auch ohne Anschlusslösung aufgeben zu können und nie von einem Partner oder den Eltern finanziell abhängig zu sein – war mir immer sehr wichtig. Während der Schulzeit und im Studium habe ich mir die notwendigen Polster für diese Unabhängigkeit mit Zusatzjobs erarbeitet und eisern gespart. Wenn es ums Investieren geht, versuche ich, grosse Fehler zu vermeiden und möglichst gut zu diversifizieren. Meine grössten Vermögensposten sind unser Haus und die Aktien der Unternehmen, bei denen ich im Verwaltungsrat engagiert bin. Wenn ich mein optimales Investitionsportfolio ausrechnen würde, käme wohl kaum meine aktuelle Allokation heraus. Aber für mich passt sie.
Was sind die wichtigsten finanziellen Lektionen, die Sie an Frauen weitergeben möchten?
Monika Bütler: «Keep it simple» und «Nie alle Eier in einen Korb». Das gilt für fast alles im Leben. Je komplizierter etwas ist – ob eine private Investitionsplanung, eine wirtschaftspolitische Massnahme oder ein Haushaltsgerät – desto schwieriger wird die Umsetzung und umso höher werden Zeitaufwand und Kosten. Ob mein Portfolio aus 43,8 Prozent Aktien und 56,2 Prozent Anleihen/Bonds besteht oder aus je 50 Prozent, spielt letztlich kaum eine Rolle – Hauptsache diversifiziert. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass vor lauter spannenden Initiativen, den Frauen Finanzen näher zu bringen, die einfachsten Grundprinzipien untergehen.
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Monika Bütler
Ökonomin und Mitglied des Verwaltungsrats von Swiss Life
Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Bütler gilt als eine der zehn einflussreichsten Ökonominnen und Ökonomen der Schweiz. Neben Swiss Life ist sie u. a. Verwaltungsrätin bei der Schindler Holding und bei Huber + Suhner. Monika Bütler studierte Mathematik und Physik in Bern und Zürich und promovierte 1997 in Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Nach Lehrtätigkeiten in Tilburg und Lausanne arbeitete sie von 2004 bis 2020 als ordentliche Professorin für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik sowie als Direktorin des von ihr mitgegründeten Schweizerischen Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung (SEW) an der Universität St. Gallen; seit 2021 ist sie selbständig.