Das Jahr 2025 begann mit einigen politischen Überraschungen: Die Handelspolitik der neuen US-Regierung ist konfrontativer als erwartet. Dafür überrascht Deutschland mit einem grossen Fiskalpaket. Die europäischen Aktienmärkte haben im ersten Quartal aussergewöhnlich gut rentiert und den US-Aktienmarkt weit hinter sich gelassen. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf die kommenden Schritte im globalen Handelsstreit.

Das Wichtigste im Überblick

Die konfrontative Handelspolitik der neuen US-Regierung hat zu Turbulenzen an den amerikanischen Finanzmärkten geführt. Würden die Zölle im angekündigten Ausmass effektiv langfristig umgesetzt, würde dies das Wachstum der US-Wirtschaft merkbar bremsen.

Im Gegensatz dazu haben Deutschland und die EU grosse Investitionsprogramme für Infrastruktur, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit angekündigt. Die Wachstumsaussichten haben sich insbesondere für Deutschland aufgehellt und die europäischen Aktienmärkte verzeichneten ein starkes erstes Quartal.

Am 2. April hat die US-Regierung «reziproke» Importzölle verhängt, welche für einige Länder, insbesondere für die Schweiz, überraschend hoch ausgefallen sind. Kurzfristig wird dies erneute Volatilität an den Finanzmärkten auslösen. Wir gehen jedoch davon aus, dass eine Verhandlungslösung zwischen den USA und Europa gefunden wird – ein Szenario, das die Märkte wieder mit Optimismus erfüllen dürfte.

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CIO Update Januar 2025

Werfen Sie einen Blick auf den letzten Beitrag «Fünf Thesen für 2025 und was diese für Anleger bedeuten».

Unsere detaillierte Experteneinschätzung lesen Sie im Folgenden.

Politische Überraschungen auf beiden Seiten des Atlantiks

Das Jahr 2025 hat auf beiden Seiten des Atlantiks mit Überraschungen begonnen.

Aggressive Handelspolitik der neuen US-Regierung

Die politischen Prioritäten der neuen US-Regierung waren bekannt: Erstens möchte Präsident Trump die Industrieproduktion stärken und Arbeitsplätze in diesem Bereich zurück in die USA holen sowie das Handelsbilanzdefizit der USA reduzieren. Zweitens wird von den Alliierten ein höherer Beitrag zu den Verteidigungskosten erwartet. Drittens soll die illegale Immigration in die USA eingedämmt werden. Diese Ziele sind nachvollziehbar.

Tabelle 1 zeigt den Rückgang des US-Anteils an der globalen Industrieproduktion von 23,6% im Jahr 1995 auf 15,0% im Jahr 2023.

Rückgang des US-Anteils an der globalen Industrieproduktion von 23,6% im Jahr 1995 auf 15,0% im Jahr 2023.
Rückgang des US-Anteils an der globalen Industrieproduktion von 23,6% im Jahr 1995 auf 15,0% im Jahr 2023.

Tabelle 1: Anteil verschiedener Länder an der globalen Industrieproduktion im Jahr 1995 und im Jahr 2023. Quelle: UN Industrial Development Organization

Allerdings betrifft dieser Rückgang nahezu alle entwickelten Länder. Der Grund hierfür ist der Aufstieg der Schwellenländer, allen voran China, dessen Anteil von 4,9% im Jahr 1995 auf 31,8% im Jahr 2023 emporgeschnellt ist.

Während die politischen Prioritäten der neuen US-Regierung bekannt waren, hat das aggressive Vorgehen zu ihrer Umsetzung seit dem Amtsantritt der neuen Regierung überrascht, vor allem in Bezug auf die Handelspolitik. In Letzterer sind zwei Szenarien wahrscheinlich.

a) Szenario A: gezielte Zölle zur Stärkung strategischer Wirtschaftssektoren
Die US-Regierung beabsichtigt, Produktionskapazitäten in strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren in die USA zurückzuholen sowie China als geopolitischen Rivalen zu schwächen. In diesem Fall könnte die US-Regierung sich mit gezielten Zöllen auf Importe aus befreundeten Staaten zufriedengeben, welche nur Waren der anvisierten Wirtschaftssektoren betreffen. Dies wären zum Beispiel die Automobilindustrie, Stahl und Aluminium, Halbleiter sowie Pharmaprodukte. Selbst in diesem Szenario würden Zölle auf Importe aus China jedoch auf breiterer Basis eingeführt werden und die US-Regierung könnte auch befreundete Staaten unter Druck setzen, Gleiches zu tun.

b) Szenario B: Zölle als Einnahmequelle zur Haushaltsfinanzierung
Die US-Regierung beabsichtigt vor allem, durch Importzölle Einnahmen zu generieren, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren oder Steuersenkungen zu finanzieren. In diesem Fall könnte die US-Regierung hohe Importzölle auf breiter Basis gegen viele Handelspartner verhängen. Importzölle wirken zwar wie eine Konsumsteuer und werden letztlich vor allem von den US-Konsumenten gezahlt. Sie lassen sich jedoch innenpolitisch besser verkaufen als eine Steuererhöhung.

Zwischen der US-Wahl und dem Amtsantritt Trumps waren die Marktteilnehmer davon ausgegangen, dass die US-Handelspolitik Szenario A folgen würde. Doch kurz nach der Amtsübernahme wurden hohe Importzölle für Waren aus Kanada, Mexiko und China sowie weltweit für Einfuhren von Stahl und Aluminium sowie Automobilen verhängt. Zudem wurden «reziproke» Zölle gegen alle Handelspartner angedroht. Ein besonderes Argument dabei: Das Mehrwertsteuersystem, das so in den USA nicht existiert, soll als indirekter Handelsvorteil anderer Länder gewertet und durch Importzölle ausgeglichen werden. Dieses aggressive Vorgehen hat Unsicherheit geschürt und die Frage aufgeworfen, ob nicht doch Szenario B die amerikanische Handelspolitik besser beschreibt.

Wie wirken Importzölle?

Importzölle wirken wie eine Konsumsteuer – allerdings nur auf importierte Waren. Sie führen damit zu einem Preisschub sowohl für die US-Konsumenten als auch für amerikanische Firmen, welche ausländische Vorprodukte beziehen. Laut dem amerikanischen Bureau of Economic Analysis (BEA) entfiel im Jahr 2024 von den insgesamt ca. USD 3,3 Billionen an Güterimporten etwa die Hälfte (USD 1,64 Billionen) auf industrielle Inputs und Investitionsgüter.

Theoretisch können amerikanische Konsumenten und Firmen die Importzölle umgehen, indem sie auf vollständig in den USA produzierte Güter umsteigen, was jedoch nicht immer möglich ist. Und wenn gleichwertige Alternativen in den USA bereits verfügbar wären, wäre ein solcher Wechsel wahrscheinlich bereits vor der Einführung der Zölle erfolgt.

Firmen, welche in den USA für den US-Markt produzieren, werden durch die Importzölle wettbewerbsfähiger. Alle anderen leiden jedoch unter den Zöllen. Das gilt für die US-Konsumenten und für Firmen, welche in den USA für den Exportmarkt produzieren und dabei teilweise auf importierte Vorprodukte angewiesen sind, sowie für Firmen, welche im Ausland für den US-Markt produzieren.

Die Verlagerung von Produktionskapazität in die USA ist ein langfristiger Prozess und setzt ein stabiles, vorhersehbares Rechtsumfeld sowie die Verfügbarkeit von ausgebildeten Facharbeitern voraus. Gerade die letzten beiden Bedingungen sind in den USA aktuell nur bedingt erfüllt.

Neben diesen direkten Auswirkungen gibt es noch indirekte Konsequenzen. So wertet die Währung eines Landes, das Importzölle erhebt, in der Regel auf. Dies verwässert den Effekt der Zölle und reduziert die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen exportorientierten Industrie zusätzlich. Falls die Handelspartner ihrerseits Gegenmassnahmen in Form von Zöllen auf Warenimporten aus den USA ergreifen, wird die exportorientierte US-Industrie noch stärker belastet.

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Wie exponiert sind Europa und die Schweiz?

Die USA haben im Jahr 2024 laut dem amerikanischen Bureau of Economic Analysis (BEA) ein Handelsbilanzdefizit im Handel von Gütern von USD 1,211 Billionen erwirtschaftet. Abbildung 1 zeigt auf, welche Handelspartner einen grossen Teil zu diesem Defizit beigetragen haben.

Beitrag verschiedener Länder zum Handelsbilanzdefizit der USA des Jahres 2024 im Handel von Gütern. Quelle: Bureau of Economic Analysis (BEA)
Beitrag verschiedener Länder zum Handelsbilanzdefizit der USA des Jahres 2024 im Handel von Gütern. Quelle: Bureau of Economic Analysis (BEA)

Abbildung 1: Beitrag verschiedener Länder zum Handelsbilanzdefizit der USA des Jahres 2024 im Handel von Gütern. Quelle: Bureau of Economic Analysis (BEA)

Gegenüber China verzeichnen die USA das bei Weitem grösste Handelsdefizit. An zweiter Stelle folgt die Europäische Union, wobei vor allem Irland, Deutschland und Italien dazu beitragen. Das Land mit dem zweitgrössten Handelsüberschuss gegenüber den USA ist jedoch Mexiko. Die Schweiz weist ebenfalls einen beachtlichen Handelsüberschuss mit den USA auf – rund USD 38 Milliarden. Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt der Schweiz ist dies bemerkenswert, beträgt das BIP der Schweiz doch rund CHF 824 Milliarden.

Die Schweiz, Deutschland und Irland exportieren alle drei in grossem Umfang pharmazeutische Produkte in die USA, wie in Abbildung 2 zu sehen ist, aber auch Maschinen sowie Präzisions- und Medizininstrumente. Für die Schweiz spielen Edelmetalle und Uhren eine weitere wichtige Rolle, während dies für Deutschland Automobile und elektrische Geräte sowie in Irland organische Chemie und Kosmetik sind.

Wert der US-Importe aus der Schweiz, Deutschland und Irland im Jahr 2022 für die wichtigsten Produktkategorien dieser Herkunftsländer in Mrd. USD. Aktuellere Werte liegen in dieser Granularität noch nicht vor. Quelle: Word Trade Organization
Wert der US-Importe aus der Schweiz, Deutschland und Irland im Jahr 2022 für die wichtigsten Produktkategorien dieser Herkunftsländer in Mrd. USD. Aktuellere Werte liegen in dieser Granularität noch nicht vor. Quelle: Word Trade Organization

Abbildung 2: Wert der US-Importe aus der Schweiz, Deutschland und Irland im Jahr 2022 für die wichtigsten Produktkategorien dieser Herkunftsländer in Mrd. USD. Aktuellere Werte liegen in dieser Granularität noch nicht vor. Quelle: Word Trade Organization

Alle drei Länder wären also von Importzöllen auf pharmazeutische Produkte stark betroffen. Allerdings sind die Wechselhürden bei Medikamenten in der Regel hoch. Deutschland wäre durch den zusätzlichen signifikanten Beitrag der Automobil- und der Maschinenindustrie besonders stark von Zöllen betroffen, worunter auch Schweizer Zulieferer leiden würden.

Unsicherheit als weitere Belastung

Das Vorgehen der neuen US-Regierung in der Handelspolitik hat zu grosser Verunsicherung geführt. Der Unsicherheitsindex der US-Handelspolitik liegt aktuell auf dem höchsten jemals erreichten Wert, wie in Abbildung 3 zu sehen ist.

Der Index der Unsicherheit der US-Handelspolitik hat Allzeithöchststände erreicht. Quelle: Baker, Bloom & Davis, Bloomberg
Der Index der Unsicherheit der US-Handelspolitik hat Allzeithöchststände erreicht. Quelle: Baker, Bloom & Davis, Bloomberg

Abbildung 3: Der Index der Unsicherheit der US-Handelspolitik hat Allzeithöchststände erreicht. Quelle: Baker, Bloom & Davis, Bloomberg

Diese Verunsicherung belastet das Wirtschaftswachstum. Firmen halten sich sowohl mit Investitionen als auch mit Personaleinstellungen zurück, bis sie mehr Gewissheit über die zukünftigen Rahmenbedingungen haben. Konsumenten sorgen sich um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes und zögern mit grösseren Anschaffungen. Das Economic-Research-Team von Swiss Life Asset Managers hat seine Erwartung für das Wachstum des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts für 2025 daher von 2,3% auf 1,8% gesenkt.

Europa überrascht positiv

Europa war der Lichtblick des ersten Quartals 2025. Die Wahlen in Deutschland sind zwar mit einem bescheidenen Ergebnis für die CDU/CSU und die SPD ausgegangen, gemeinsam könnten sie jedoch eine
mehrheitsfähige Regierung bilden. Mit den Stimmen des scheidenden Bundestages haben sie bereits ein riesiges Fiskalpaket verabschiedet. Dieses beinhaltet unter anderem Investitionen in der Höhe von EUR 500 Milliarden in Infrastruktur über die kommenden zwölf Jahre sowie eine signifikante Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Weder die Infrastrukturinvestitionen noch der Teil der Verteidigungsausgaben, der 1% des Bruttoinlandsprodukts übersteigt, sollen unter die deutsche Schuldenbremse fallen. Auch die EU-Kommission hat mit «ReArm Europe» einen Plan für die Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Staaten der Europäischen Union unterbreitet. Bereits zuvor hatte die neue EU-Kommission mit dem «Competitive Compass» eine Initiative zur Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union lanciert, basierend auf dem Bericht des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi.   

Die EU scheint unter dem Druck des Ukrainekrieges und der Präsidentschaft Donald Trumps aufgewacht zu sein und ihre Prioritäten neu ausgerichtet zu haben. Die neuen Programme sind bisher jedoch schuldenfinanziert. Es bleibt zu hoffen, dass sie von strukturellen Reformen, Bürokratieabbau,
Forschungsförderung und Einsparungen begleitet werden, welche das potenzielle
Wirtschaftswachstum Europas langfristig anheben. Vor diesem Hintergrund hat das
Economic-Research-Team von Swiss Life Asset Managers seine Erwartung für das Wachstum
des deutschen Bruttoinlandsprodukts für 2026 von 0,8% auf 1,3% erhöht.  
 

Wie haben die Finanzmärkte auf die Überraschungen bisher reagiert?

Von der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten bis Mitte Februar entwickelten sich die Finanzmärkte so, wie wir im Flashkommentar nach der US-Wahl erwartet hatten: steigende Aktienmärkte, steigende langfristige USD-Zinsen und steigender USD.

Das konfrontative Vorgehen in der US-Handelspolitik sowie die fehlende Ankündigung von Steuersenkungen für Unternehmen haben jedoch ab Mitte Februar zu einer Kehrtwende an den US-Märkten geführt. Während die US-Aktien direkt nach der Wahl den übrigen Märkten vorauseilten, stagnierten sie vom Amtsantritt am 20. Januar bis Mitte Februar. Die Verunsicherung über die US-Handelspolitik führte danach zu Sorgen um das US-Wirtschaftswachstum und zu einer Korrektur der US-Aktien, insbesondere der grossen Technologiefirmen.

Wie in Abbildung 4 gezeigt ist, setzten die europäischen Aktienmärkte im Gegensatz dazu ab Januar 2025 zu einer Rally an, ausgelöst durch die Hoffnung auf ein Fiskalpaket in Deutschland, Zinssenkungen der EZB und Wirtschaftsdaten, welche positiv überraschten. Die relative Performance im ersten Quartal der europäischen Aktienmärkte im Vergleich zum US-Aktienmarkt war eine der stärksten je gemessenen. Erst in der letzten Märzwoche hat die Ankündigung von Zöllen in der Höhe von 25% auf Automobilimporte auch zu einer Abschwächung der europäischen Aktienmärkte geführt. Allerdings reagierte der US-Markt wiederum stärker auf die Zollankündigungen.

Abbildung 4: Entwicklung der Aktienmärkte seit der US-Wahl in Lokalwährung. Der Tag des Amtsantritts der US-Regierung ist als gestrichelte vertikale Linie markiert. Quelle: Bloomberg
Abbildung 4: Entwicklung der Aktienmärkte seit der US-Wahl in Lokalwährung. Der Tag des Amtsantritts der US-Regierung ist als gestrichelte vertikale Linie markiert. Quelle: Bloomberg

Abbildung 4: Entwicklung der Aktienmärkte seit der US-Wahl in Lokalwährung. Der Tag des Amtsantritts der US-Regierung ist als gestrichelte vertikale Linie markiert. Quelle: Bloomberg

Wie erwartet sind die langfristigen USD-Zinsen von der US-Wahl bis zum Amtsantritt zunächst gestiegen. Die Verunsicherung über die US-Handelspolitik hat die Zinsen dann aber wieder sinken lassen, insbesondere in der zweiten Februarhälfte. Mittlerweile liegen sie wieder auf dem Niveau vom Zeitpunkt der US-Wahl (Abbildung 5). Nachdem die europäischen Zinsen zunächst gefallen waren, sind sie seit Dezember gestiegen.

Besonders die Einigung über das deutsche Fiskalpaket Anfang März hat den europäischen Zinsen einen Schub noch oben verliehen. Seitdem stagnieren sie.

Während das amerikanische Fed den US-Leitzins seit Dezember auf restriktivem Niveau stabil hält, haben sowohl die EZB als auch die SNB die Leitzinsen 2025 weiter gesenkt.

Die Entwicklung der langfristen Zinsen in den USA, Deutschland und der Schweiz seit der US-Wahl. Quelle: Bloomberg
Die Entwicklung der langfristen Zinsen in den USA, Deutschland und der Schweiz seit der US-Wahl. Quelle: Bloomberg

Abbildung 5: Die Entwicklung der langfristen Zinsen in den USA, Deutschland und der Schweiz seit der US-Wahl. Quelle: Bloomberg

Wie geht es politisch weiter?

Am 1. April wurden die Abschlussberichte der Handelsuntersuchungen, welche Präsident Trump am Tag des Amtsantritts in Auftrag gegeben hat, fertiggestellt. Diese dienten als Grundlage für die Einführung «reziproker» Zölle, welche mit einer Executive Order am 2. April kommuniziert wurden.

Wie erwartet hat die US-Regierung signifikante Importzölle auf breiter Basis kommuniziert, welche sich mehr am obigen Szenario B orientieren. Importe aus allen Ländern werden mit einem zusätzlichen Importzoll von mindestens 10% belegt. Für Handelspartner, gegenüber denen die USA ein grosses Güterhandelsdefizit ausweist, wird dieser Importzoll jedoch auf ein individuelles höheres Niveau angehoben. Um dieses «reziproke» Zollniveau festzulegen, hat die US-Administration geschätzt, wie hoch die effektiven Zölle dieser Länder auf US-Güter seien, wobei nicht nur tatsächliche Zölle, sondern auch nichtfinanzielle Handelshemmnisse berücksichtigt werden, sowie alle Massnahmen, welche Exporte gegenüber heimischem Konsum in den betroffenen Ländern fördern. Wie ein solcher effektiver Zoll berechnet werden kann, ist nicht klar. Die US-Regierung scheint daher eine simple Abkürzung genommen zu haben. Wie in Abbildung 6 gezeigt ist, kann man die Zölle, welche die Handelspartner laut der US-Regierung angeblich auf US-Güter anwenden, erklären, indem man das US-Güterhandelsdefizit gegenüber diesem Land durch den gesamten US-Güterimport aus diesem Land teilt und ein Minimum von 10% deklariert.

US Güter-Handelsdefizit / US Güterimporte versus Ermittelte Zölle gegen USA
US Güter-Handelsdefizit / US Güterimporte versus Ermittelte Zölle gegen USA

Abbildung 6: Die Zölle, welche die Handelspartner der USA laut der US-Regierung angeblich gegen die USA anwenden, lassen sich durch die Höhe des US-Güterhandelsdefizit gegenüber dem jeweiligen Land dividiert durch den Gesamtwert der aus diesem Land importierten Güter bestimmen, sofern man ein Minimum von 10% voraussetzt. Für Kanada und Mexiko wurden keine effektiven Zölle kommuniziert, da diese eine Sonderbehandlung erfahren. Quelle: Bureau of Economic Analysis (BEA)

Auf diese Art kommt die US-Regierung zu dem Ergebnis, dass die Schweiz Waren aus den USA angeblich mit einem effektiven Zoll von 61% belegt. Dies ist zwar ökonomisch Unsinn, aber da die Definition der effektiven Zölle so vage formuliert ist, kann auch niemand sagen, welches der richtige Wert wäre. Die «reziproken» Zölle, welche die US-Regierung ab dem 5. April für Güterimporte aus einem Land erhebt, entsprechen ungefähr der Hälfte des angeblich von diesem Land auf US-Güter angewendeten effektiven Zolls, mindestens aber 10%. Für die Schweiz wurde dieser Importzoll auf 32% festgelegt, für die Europäische Union auf 20% und für China auf 34%. Diese Zölle addieren sich zu allen bereits bestehenden Importzöllen. Die US-Importzölle für alle Güterimporte aus China haben sich damit seit Amtsantritt von Präsident Trump bereits um 54 Prozentpunkte erhöht.

Für gewisse Produktkategorien gelten Sonderregeln. So sind Automobilimporte von diesen zusätzlichen Zöllen ausgenommen, da für diese bereits am 26. März ein Zoll von 25% festgelegt wurde. Zum Glück für die Schweiz wurden pharmazeutische Produkte ebenfalls ausgenommen.

Die Executive Order vom 2. April lässt die Tür für Verhandlungen offen, indem sie explizit erwähnt, dass die Bestimmungen je nach Reaktion der Handelspartner verschärft oder gelockert werden können.

Wir erwarten, dass die Handelspartner ihrerseits Gegenzölle androhen und ebenfalls Verhandlungsbereitschaft signalisieren werden. Damit sind die Grundlagen für den Beginn möglicher Verhandlungen gelegt. 

Verschiedene Gründe stimmen uns moderat optimistisch für Verhandlungen zwischen Europa und den USA. 

  • Erstens ist Europa der wichtigste Exportmarkt der USA und hat damit eine gute Verhandlungsposition.
  • Zweitens ist China der gemeinsame wirtschaftliche Rivale und der geopolitische Rivale der USA. Europa könnte den USA entgegenkommen, indem es einerseits mehr in die eigene Verteidigung investiert, wozu die EU bereits die Voraussetzungen geschaffen hat, und andererseits eigene Zölle auf Warenimporte aus China erhebt. Die EU hat für einige Produktkategorien damit begonnen, um die eigene Industrie gegen chinesische Konkurrenz zu schützen.
  • Drittens erwirtschaften die USA im Handel von Dienstleistungen einen Überschuss mit Europa und der Welt. Der Einbezug von Dienstleistungen in die Betrachtung würde die Position der USA im Handelsstreit schwächen.

Mit solchen Gegenleistungen sollte eine Einigung möglich sein, welche US-Importzölle für europäische Güter auf wenige Produktkategorien beschränkt, in denen die USA ein grosses Handelsdefizit mit Europa haben und welche sie als strategisch erachten. Dies würde dem obigen Handelsszenario A entsprechen. Ein Handelskrieg gemäss dem obigen Szenario B, unter dem sowohl die USA als auch Europa leiden würden, kann nicht ausgeschlossen werden, wäre aber ein vermeidbarer politischer Unfall.

Was bedeutet dies für die Finanzmärkte?

In den kommenden Wochen erwartet uns eine volatile Phase, sowohl an den Aktien- als auch an den Zinsmärkten. Die EZB und das Fed stehen vor dem Dilemma, ob sie die Leitzinsen hoch halten sollen, um die Inflationserwartungen eines zollbedingten Preisschubs zu dämpfen, oder ob sie sie senken sollen, um dem wachstumsmindernden Effekt von Zöllen entgegenzuwirken. Dies wird zu Schwankungen an den Zinsmärkten führen. Auch die Aktienmärkte werden zwischen der Sorge vor einem politischen Unfall und der Hoffnung auf eine Einigung oszillieren. Firmenanleihen mögen weder Zins- noch Aktienvolatilität, sodass sich ihre Kreditspannen ausweiten sollten, insbesondere im Segment der Hochzinsanleihen.

Wir erwarten, dass schliesslich die Vernunft siegt und sich die Verunsicherung, wie sie durch die Rekordwerte des Unsicherheitsindexes der US-Handelspolitik in Abbildung 3 zum Ausdruck kommt, wieder legen wird. Die EZB und das Fed werden durch den temporären Preisschub hindurchschauen und mit Zinssenkungen fortfahren. Die Aktienmärkte werden ihren Aufwärtstrend schliesslich wieder aufnehmen. Die Verhandlungen dürfen sich jedoch nicht zu lange hinziehen, damit die abwartende Haltung der Firmen und der Konsumenten den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum nicht zu sehr belastet.

Wie sollten sich Anlegerinnen und Anleger verhalten?

Lassen Sie sich von Volatilität an den Finanzmärkten nicht verunsichern. Die Märkte können aktuell aus gutem Grund sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung ausschlagen. In einer solchen Situation bietet Ihre langfristige Strategie einen guten Kompass.

Verhandlungen über die Handelspolitik sollten in Kürze beginnen, die Verunsicherung sollte sich entsprechend legen. Wir halten daher an unserem moderaten Aktienübergewicht fest, welches durch ein Übergewicht der entwickelten Aktienmärkte umgesetzt ist. Ebenso behalten wir das leichte Übergewicht in Schweizer Immobilien bei. Diese beiden Übergewichte gehen zulasten von alternativen Anlagen. Unsere Fixed-Income-Quote ist neutral, wobei wir die Kreditqualität der Anleihen weiter erhöht haben, für den Fall, dass sich das Wirtschaftswachstum durch den Handelsstreit stärker als erwartet eintrüben sollte.

Wir gehen von einer Einigung zwischen den USA und Europa im Handelsstreit aus, möchten vor einer Erhöhung des Anlagerisikos aber den Beginn von konstruktiven Verhandlungen sehen.
 

Gezielt Investieren unabhängig von der Wirtschaftslage

Wie unterscheidet sich die Anlagestrategie einer Pensionskasse vom traditionellen Investieren? Was macht diesen Ansatz so erfolgreich? Mehr dazu erfahren Sie in unserem Merkblatt «Anlegen wie eine Pensionskasse».

Porträtbild von Dr. Peter Kaste, Leiter Financial Engineering bei Swiss Life Asset Managers

Dr. Peter Kaste

Chief Investment Officer Swiss Life Wealth Management AG

Dr. Peter Kaste ist Chief Investment Officer bei der Swiss Life Wealth Management AG. Er ist promovierter Physiker, CFA Charterholder, Mitglied der Swiss CFA Society sowie Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Nach seiner Promotion war Peter Kaste während mehrerer Jahre als Wissenschaftler an der École Polytechnique (Paris) sowie an der ETH Zürich tätig. Seit 2006 arbeitet er im Asset Management. Von 2008 bis 2023 baute er das Quantitative-Research-Team von Swiss Life Asset Managers auf und leitete es. Seit 2024 leitet er als Chief Investment Officer das Investment Management von Swiss Life Wealth Managers.

Hinweis: Die aufgeführten Angaben dienen lediglich Informationszwecken und sind ohne Gewähr und Haftung. Sie begründen weder ein Angebot, eine Anlageberatung noch eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräusserung von Finanzinstrumenten oder zum Abschluss von anderen Rechtsgeschäften. Dieser Beitrag enthält zukunftsgerichtete Aussagen, welche unsere Einschätzung und unsere Erwartungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ausdrücken. Dabei können verschiedene Risiken, Unsicherheiten und andere Einflussfaktoren dazu führen, dass die tatsächlichen Entwicklungen und Resultate sich von unseren Erwartungen deutlich unterscheiden. Die vergangene Performance ist kein Indikator für laufende und zukünftige Entwicklungen und Ergebnisse. Investitionen in Finanzprodukte sind mit unterschiedlichen Risiken verbunden, wozu auch der potenzielle Verlust des eingesetzten Kapitals gehört.

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