Die US-Arbeitsmarktzahlen und die aktuellen Marktturbulenzen sind kein Grund zur Panik
Das Wichtigste in Kürze
Die Finanzmärkte reagierten mit Turbulenzen auf die Publikation der schwachen US-Arbeitsmarktzahlen vom 2. August. Auch wenn diese Zahlen schlechter ausfielen, sind sie noch immer vereinbar mit unserem Basisszenario eines neuen Gleichgewichts zwischen Inflation und Wachstum ohne Rezession (ein Basisszenario ist die wahrscheinlichste Annahme zur Entwicklung der Wirtschaft und der Märkte und dient als Referenzpunkt für Anlageentscheidungen und Risikobewertungen). Die Kurskorrekturen wurden insbesondere durch Gewinnmitnahmen ausgelöst in Märkten, die seit Jahresbeginn einen starken Aufwärtstrend erfahren hatten. Anlegerinnen und Anleger sollten sich von der Korrektur der letzten Tage nicht verängstigen lassen. Die aktuellen Marktbewegungen zeigen einmal mehr, welche wesentliche Bedeutung eine langfristige, zielorientierte Strategie hat: Sie hilft enorm dabei, insbesondere in turbulenten Zeiten die grundlegenden Ziele einer Kapitalanlage nicht aus den Augen zu verlieren, und Entscheidungen nicht von Emotionen oder Impulsen beeinflussen zu lassen.
Details zu unserer Experteneinschätzung lesen Sie im Folgenden.
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Was ist passiert?
Am 1. August publizierte das Institute for Supply Management den vielbeachteten US-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe. Dieser fiel von einem Vormonatswert von 48,5 auf 46,8, während eine leichte Verbesserung auf 48,8 erwartet worden war. Werte unter 50 signalisieren eine Abschwächung der Aktivität des verarbeitenden Gewerbes im Vergleich zum Vormonat, bedeuten allerdings noch nicht, dass die Gesamtwirtschaft schrumpft.
Die US-Arbeitsmarktzahlen des Bureau of Labor Statistics vom Freitag, 2. August, waren daher mit Spannung erwartet worden. Mit 114 000 neuen Arbeitsplätzen hat die US-Wirtschaft im Juli weniger neue Stellen geschaffen als im Vormonat (179 000, korrigiert von 206 000) und lag damit unter den erwarteten 175 000 neuen Stellen.
Die Aktienmärkte reagierten am 1. August mit einem moderaten Rückgang auf den schwächeren Einkaufsmanagerindex (siehe Tabelle 1). Der japanische Aktienmarkt war bereits geschlossen, als der amerikanische Einkaufsmanagerindex veröffentlicht wurde. Er litt an diesem Tag unter der überraschenden Leitzinserhöhung durch die Bank of Japan vom 31. Juli, die zu einer Aufwertung des Yen führte, und belastete die japanische Exportwirtschaft.
Am 2. August weiteten sich die Aktienverluste infolge der enttäuschenden US-Arbeitsmarktzahlen aus. Der japanische Aktienmarkt reagierte an diesem Tag schlecht auf den niedrigen US-Einkaufsmanagerindex des Vortages und die weitere Aufwertung des Yen und weitete seine Korrektur auf über 9% aus. Gleichzeitig fielen weltweit die Zinsen, insbesondere diejenigen amerikanischer Staatsanleihen (siehe Tabelle 2). Diese gewannen dadurch stark an Wert.
Die schwächeren US-Wirtschaftszahlen und der stärkere Zinsrückgang bei amerikanischen Staatsanleihen führten zu einem Wertverlust des USD vor allem gegenüber dem Yen und dem Schweizer Franken, die als sichere Häfen angesehen werden (siehe Tabelle 3).
Am Morgen des 5. August rieben sich die europäischen Marktteilnehmenden dann die Augen, als sie sahen, wie der japanische Aktienmarkt die US-Arbeitsmarktzahlen vom vorigen Freitag verarbeitet hatte. Trotz guter Wirtschaftszahlen in Japan hatte sich die Korrektur des japanischen Börsenindex Topix seit dem 31. Juli auf über 20% ausgeweitet. Damit hatte er seine gesamten Gewinne der ersten sieben Monate in drei Handelstagen neutralisiert (siehe Abbildung 1). Überrascht von dieser starken Reaktion öffneten auch die europäischen und später die amerikanischen Börsen am 5. August erneut im Minus.
Die Publikation des US-Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe vom 5. August sorgte dann dafür, dass sich die Märkte stabilisierten. Mit einem Anstieg auf 51,4 (Vormonat: 48,8) übertraf dieser die Erwartung von 51,0 und zeigte eine zunehmende Aktivität des Dienstleistungssektors an. Auch die wichtigen Subkomponenten der neuen Aufträge und der Beschäftigung übertrafen mit Werten von 52,2 bzw. 51,1 wieder die 50er-Marke. Der Dienstleistungssektor wächst also wieder stärker und schafft mehr neue Stellen.
Am 6. August konnte der japanische Aktienmarkt seine Verluste mit einem Plus von 9% stark eindämmen. Die europäischen Märkte stabilisierten sich und der amerikanische Aktienmarkt legte wieder zu.
Wie beurteilen wir die Situation?
Die entscheidende Frage, die sich alle Anlegenden stellen, ist: Kommt es nun doch noch zu einer Rezession in den USA oder nicht?
Im Jahr 2023 wurde allgemein eine leichte US-Rezession erwartet. Ein solch starker Zinserhöhungszyklus, wie ihn die Zentralbanken 2022 initiiert haben, führt fast immer zu einer Rezession. Aber dann zeigte sich die US-Wirtschaft, angetrieben durch einen starken Privatkonsum und hohe Staatsausgaben, erstaunlich robust. Ausgestattet mit Reserven aus der Zeit der Covid-Krise und mit dem Vertrauen auf einen starken Arbeitsmarkt hielten die amerikanischen Konsumenten trotz Inflation die US-Wirtschaft am Laufen.
Im Jahr 2024 setzte sich dann die Überzeugung durch, dass der amerikanischen Zentralbank das Kunststück gelingen kann, die Inflation durch eine restriktive Geldpolitik unter Kontrolle zu bringen, aber die Zinsen früh genug wieder zu senken, bevor die Wirtschaft grossen Schaden nimmt, also ein neues Gleichgewicht zwischen Inflation auf Zielniveau und Wirtschaftswachstum auf durchschnittlichem Niveau herstellen kann, ohne eine Rezession zu durchlaufen.
In den ersten Monaten dieses Jahres war die Sorge, ob die Inflation hierfür schnell genug sinken würde. Seit Mai geht die Inflation in den USA wieder zurück, sodass die Sorge seitdem dem Wirtschaftswachstum gilt. Bleibt dieses robust, bis Zinssenkungen die restriktive Geldpolitik beenden? Da die amerikanische Wirtschaft vom Privatkonsum abhängt, dieser vom Arbeitseinkommen und dieses vom Arbeitsmarkt, beobachten die Marktteilnehmenden zu Recht den US-Arbeitsmarkt mit Argusaugen.
Haben die US-Arbeitsmarktzahlen vom 2. August unsere Einschätzung bezüglich einer Rezession verändert?
Nein, das haben sie bisher nicht. Wir gehen weiter von einem Basisszenario ohne US-Rezession aus. Wir erkennen an, dass sich der US-Arbeitsmarkt abgeschwächt hat. Aber bisher vollzieht sich diese Abkühlung schrittweise und es gibt Faktoren, die diese in einem weniger schlechten Licht erscheinen lassen. Wie Abbildung 2 zeigt, blieb die Entlassungsrate bisher auf konstant niedrigem Niveau. Die Einstellungsrate sinkt jedoch nach dem Post-Covid-Boom, wodurch weniger zusätzliche Stellen geschaffen werden. Gleichzeitig liegt die Partizipationsrate, also der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, der tatsächlich am Arbeitsmarkt aktiv ist, auf einem Rekordniveau und steigt weiter. Die Arbeitslosenquote ist also von 4,1% auf 4,3% gestiegen, weil derzeit viele Personen auf den Arbeitsmarkt kommen oder auf diesen zurückkehren und nicht sofort eine Anstellung finden. Die Anzahl der Beschäftigten ist aber hoch und nimmt weiterhin zu.
Die US-Arbeitsmarktzahlen sind und bleiben einer der wichtigsten Indikatoren, die es zu beobachten gilt. Ihr Trend ist negativ, aber auf einem Niveau, das noch immer mit unserem Basisszenario ohne Rezession vereinbar ist.
Warum haben die Aktienmärkte dann so stark korrigiert und wie sollten Anlegende nun reagieren?
Der Übergang von einer restriktiven Geldpolitik zu einem neuen Gleichgewicht zwischen Inflation und Wirtschaftswachstum ohne zwischenzeitliche Rezession ist eine Gratwanderung. Die US-Arbeitsmarktzahlen vom 2. August haben sicherlich einige Anlegende verunsichert und uns die Wahrscheinlichkeit einer Rezession höher einschätzen lassen, auch wenn wir noch immer nicht von einer solchen ausgehen.
Die starke Korrektur des japanischen Aktienmarkts war eine Überreaktion auf drei aufeinanderfolgende Tage mit negativen Überraschungen (Zinserhöhung durch die japanische Zentralbank, schwacher US-Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes und schwächere US-Arbeitsmarktzahlen).
Ein wichtiger Treiber war sicherlich, dass die Aktienmärkte von November 2023 bis Juli 2024 einen ausgesprochen starken Aufwärtstrend erfahren haben. Angesichts der grossen Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung war dies aussergewöhnlich. Die schwächeren Zahlen der letzten Tage haben daher Gewinnmitnahmen ausgelöst, gerade aus denjenigen Märkten, die bis dahin die stärkste Performance erzielt hatten, wie dem japanischen Aktienmarkt oder dem Nasdaq.
Zwischenzeitliche Volatilität ist Teil unseres Basisszenarios, auch wenn dieses mittelfristig ein positives Marktszenario darstellt. Wir halten aktuell an diesem Szenario fest. Anlegerinnen und Anleger sollten sich von der Korrektur der letzten Tage nicht verängstigen lassen. Die aktuellen Marktbewegungen zeigen einmal mehr, welche wesentliche Bedeutung eine langfristige, zielorientierte Strategie hat: Sie hilft enorm dabei, insbesondere in turbulenten Zeiten die grundlegenden Ziele einer Kapitalanlage nicht aus den Augen zu verlieren, und Entscheidungen nicht von Emotionen oder Impulsen beeinflussen zu lassen.
Individuelle Anlagestrategie
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Dr. Peter Kaste
Chief Investment Officer Swiss Life Wealth Management AG
Dr. Peter Kaste ist Chief Investment Officer bei der Swiss Life Wealth Management AG. Er ist promovierter Physiker, CFA Charterholder, Mitglied der Swiss CFA Society sowie Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Nach seiner Promotion war Peter Kaste während mehrerer Jahre als Wissenschaftler an der École Polytechnique (Paris) sowie der ETH Zürich tätig. Seit 2006 arbeitet er im Asset Management. Von 2008 bis 2023 baute er das Quantitative-Research-Team von Swiss Life Asset Managers auf und leitete dieses. Seit 2024 leitet er als Chief Investment Officer das Investment-Team von Swiss Life Wealth Managers.
Hinweis: Die aufgeführten Angaben dienen lediglich Informationszwecken und sind ohne Gewähr und Haftung. Sie begründen weder ein Angebot, eine Anlageberatung noch eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräusserung von Finanzinstrumenten oder zum Abschluss von anderen Rechtsgeschäften. Dieser Beitrag enthält zukunftsgerichtete Aussagen, welche unsere Einschätzung und unsere Erwartungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ausdrücken. Dabei können verschiedene Risiken, Unsicherheiten und andere Einflussfaktoren dazu führen, dass die tatsächlichen Entwicklungen und Resultate sich von unseren Erwartungen deutlich unterscheiden. Die vergangene Performance ist kein Indikator für laufende und zukünftige Entwicklungen und Ergebnisse. Investitionen in Finanzprodukte sind mit unterschiedlichen Risiken verbunden, wozu auch der potenzielle Verlust des eingesetzten Kapitals gehört.